FORUM 2/2019 - Neue Autorität ~ Altes Unbehagen


Die vollständige Ausgabe finden Sie hier.

 

Liebe Leser*innen!

„Wie es mir geht??? – Das hat mich hier noch nie jemand gefragt“ – so lautete die verwunderte Reaktion einer Schülerin nachdem ihre Lehrkraft sie einfach mal gefragt hat, wie es ihr ginge. Ein Statement, was vermutlich viele junge Menschen nicht nur in schulischen Kontexten abgeben würden.

Dabei spiegelt sich in dieser Frage eine grundsätzliche Haltung: Mit dieser offenen Frage, wenn denn auch so gemeint, signalisiere ich als Pädagog*in Interesse an dem, was häufig mit Lebenswelt und Lebenslage umschrieben wird. Professionelle laden Kinder und Jugendliche  mit dieser Frage ein, in einen Dialog zu gehen und gemeinsam über das was junge Menschen „hinter der Bühne“ bewegt und beschäftigt, zu sprechen. Im Rahmen der Enquetekommission zur Hamburger Kinder- und Jugendhilfe „Kinderschutz- und Kinderrechte stärken“ schilderten Kinder, Jugendliche und Eltern Sozialarbeiter*innen gerade dann als wirklich hilfreich, wenn diese ihnen zuhören und sie parteilich begleiten.

Der subjektive Sinn des Handelns junger Menschen spielt im Handlungskonzept der „Neuen Autorität“ keine Rolle; so Tilman Lutz im Interview mit Kaija Kutter (taz nord vom 31.1.2019). Vielmehr solle eine verloren geglaubte Autorität der Pädagog*innen und ihre Selbstwirksamkeit wiederhergestellt werden. Während in der Jugendhilfe sonst in der Regel die Stärkung von Selbstwirksamkeit durch partizipative und aktivierende Prozesse bei Kindern und Jugendlichen im Mittelpunkt steht, wird die Selbstwirksamkeit irritierenderweise nun auf die Pädagog*innen fokussiert.

Nachdem wir 2016 (Heft 2 und 3) sowie 2017 (Heft 1 und 2) bereits das Für und Wider um „Neue Autorität“ abbildeten, widmen wir uns aus gegebenen Anlass – der fortschreitenden Etablierung dieses Handlungskonzept in der Jugendhilfe und mittlerweile auch an Schulen – diesem Handlungskonzept erneut. Mittels der Theorie der Persönlichkeits-System-Interaktionen erläutert Cornelia Klioba am Beispiel einer Situation, die sowohl eine Lehrkraft als auch einen Schüler belastet, wie wichtig innere Selbststeuerung und Selbstkompetenzen des*der Erziehenden sind. Jürgen Mietz nimmt verschiedene Ebenen von asymmetrischen Macht- und Abhängigkeitsverhältnissen ebenso wie die Rolle von Schule innerhalb gesellschaftlicher Strukturen in den Blick, während Margot Reinig unter anderem anhand eigenen schulischen Erlebens das Handlungskonzept mit seinen Methoden kritisch hinterfragt. Aus sozialarbeiterischer Sicht untersucht Jan Heutelbeck die empfohlenen Maßnahmen zugunsten einer wiederhergestellten Autorität und plädiert schlussendlich für eine dialogische Verständigung mit Kindern und Jugendlichen.

Ergänzend finden sich Beiträge zum Thema Parteilichkeit, in welchen Fachkräfte ihre theoretischen Überlegungen und Erfahrungen aus der Praxis mit uns teilen, dabei aber auch Forderungen formulieren. Besonders freuen wir uns über den Beitrag von Lena  Sierts  und Fabian  Kaufmann, die mit dem Projekt Dekonstrukt  „rechten“ Youtuber*innen dadurch etwas entgegensetzen, dass sie politische Themen jugendgerecht aufbereiten und mit eigenen Videos den digitalen Sozialraum erobern.

Lesenswert ist ebenso das Positionspapier des Kooperationsverbundes Offene Kinder- und Jugendarbeit. An den fachlichen Grundaussagen und (fach-)politischen Forderungen wirkten bundesweit Kolleg*innen aus der Praxis und Wissenschaft mit. Im SGB VIII-Reformprozess gesetzte Themen reflektiert Moritz Schwerthelm aus Sicht der Offenen Kinder- und Jugendarbeit, während Wolfgang Hammer eine kritische Betrachtung gesetzlicher Grundlagen vornimmt, die den Auswirkungen von Armut auf Kinder und ihre Lebensbereiche entgegenwirken sollen.